Der Bundestag hat heute über Anträge der Fraktionen die Linke und Bündnis 90/die Grünen abgestimmt. Beide Anträge fordern unter Anderem eine Aufnahme der Geflüchteten von Moria. Ich habe diesen Anträgen nicht zugestimmt – obwohl ich sie inhaltlich nicht komplett ablehne. Warum habe ich das getan?
Es ist klar: Wir erleben derzeit eine humanitäre Katastrophe auf europäischen Boden. Ich bin fassungslos angesichts der schrecklichen Bilder aus Lesbos. Und ich schäme mich. Denn die Regierung, die meine Fraktion mitträgt, hat es seit 2015, trotz großer Bemühungen der SPD-Fraktion, nicht geschafft, Griechenland und Italien substanziell bei der Aufnahme von Geflüchteten zu entlasten.
Natürlich ist es gut, dass auch Deutschland nun umfangreiche humanitäre Unterstützung leistet. Und es ist gut, dass sich unser Koalitionspartner auf unseren Druck hin bewegt hat. Deutschland nimmt nun immerhin insgesamt ca. 2750 Personen aus Griechenland auf. Das ist im europäischen Vergleich zwar viel, es ist aber objektiv immer noch viel zu wenig. Bundesinnenminister Seehofer muss deshalb umgehend den Weg frei machen, dass die vielen aufnahmebereiten Bundesländer, Städte und Gemeinden sofort helfen können. Aber es geht hier am Ende nicht um Zahlen, es geht um Menschen. Es geht um menschenwürdige Bedingungen, die mit europäischem Recht und unseren Werten vereinbar sind.
Darum bin ich stärker denn je der Überzeugung, dass es schnellstens eine gemeinsame Europäische Lösung in Form eines Europäischen Asylsystems geben muss. Dieses soll sowohl den Bedürfnissen der Geflüchteten als auch denen der Aufnahmestaaten Rechnung tragen. Leider ist es den europäischen Regierungen auch nach fünf Jahren nicht gelungen auf diesem Gebiet eine Einigung zu finden. Der Verweis auf eine Europäische Lösung ist dadurch verständlicherweise zur Floskel geworden. Zu oft musste die Debatte um eine europäische Lösung als Ausrede herhalten, anstatt unmittelbar und umfangreich zu helfen. Das darf nicht sein.
Genauso wenig tragen Schaufensteranträge der Grünen oder Linken zur Lösung bei. Viele Forderungen insbesondere des Antrages der Grüne trage ich vollumfänglich mit. Doch sind die meisten davon heute zum einen fehl am Platz, da sie Regierungshandeln auf europäischer Ebene thematisieren. Zum anderen geht es bei der Abstimmung im Bundestag nicht um Symbolpolitik, sondern darum, die Aufnahme von Menschen aus Griechenland auch tatsächlich durchzusetzen.
Es ist ein Irrglaube, dass die SPD-Bundestagsfraktion einfach nur dem Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zustimmen müsste und schon kämen die Menschen nach Deutschland. Das Gegenteil wäre der Fall: Damit wäre keinem einzigen geflüchteten Menschen in Griechenland geholfen. Und Deutschland hätte stattdessen zusätzlich eine handfeste Regierungskrise. Denn wie jede andere Regierungskoalition haben sich die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten verständigt. Und selbst wenn meine Fraktion den Anträgen geschlossen zustimmt, werden diese keine Mehrheit erhalten. Wer eine progressive Mehrheit im Bundestag möchte, muss mit seiner Wahlentscheidung bei der nächsten Bundestagswahl für andere Verhältnisse sorgen.
Es mag zynisch klingen, aber ich bin mir sicher, dass der Brand von Moria etwas bewirkt hat. Er hat das notwendige Momentum geliefert für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem. Ein erster Schritt könnte die Entwicklung eines EU-Asylzentrums als Pilotmodell sein. Das hat meine Fraktion bereits im Frühjahr vorgeschlagen. Dieses Zentrum muss – die im europäischen Vergleich hohen – deutschen Standards der Bearbeitung von Anträgen und der Unterbringung der Menschen unbedingt garantieren. Denn solange Menschen systematisch entrechtet werden, um andere abzuschrecken, ist mit symbolischen Aktionen keine Gerechtigkeit herstellbar.
Deshalb habe ich den Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen nicht zugestimmt. Stattdessen werde ich mich weiterhin für eine umfangreiche humanitäre Aufnahme von Geflüchteten nach Deutschland und eine zeitnahe Umsetzung eines qualitativ hochwertigen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems einsetzen.
Daniela Kolbe